Rems-Murr-Kreis (Druckversion)
Autor: Leonie Ries
Artikel vom 01.03.2024

Schlaganfälle rasch entdecken und behandeln dank modernster Technik

Schlaganfälle rasch entdecken und behandeln: Biplane Angiografie-Anlage für das Rems-Murr-Klinikum Winnenden
Schlaganfälle rasch entdecken und behandeln: Biplane Angiografie-Anlage für das Rems-Murr-Klinikum Winnenden. Foto: Rems-Murr-Kliniken

Landkreis und Kliniken investieren rund 1,8 Millionen Euro in die interventionelle Neuroradiologie am Standort Winnenden

Das Gehirn hat Tag und Nacht kniffligste Aufgaben zu lösen und lässt sich dabei nicht so leicht in die Karten schauen. Mit modernster Bildgebung wird es für Ärzte einfacher, das Labyrinth der Nervenzellen und Blutgefäße zu durchdringen, um Störfälle im System zu entdecken: Am Rems-Murr-Klinikum Winnenden ging eine biplane Angiografie-Anlage in Betrieb, mit der die Ärzte das Innere von Gehirngefäßen künftig in 3D inspizieren können. Das hat zunächst einmal große Vorteile in der Ursachenforschung und Behandlung von Schlaganfällen: Wo liegt der Auslöser, wie wird sicher und schnell behandelt, wie hoch ist das Risiko für weitere Schlaganfälle?

Seit Mitte Februar werden in der neuen Angiografie-Anlage Patientinnen und Patienten untersucht, am 26. Februar wurde das Gerät im Beisein von Landrat Dr. Richard Sigel offiziell eingeweiht. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Rems-Murr-Kliniken freut sich ebenso wie das Klinik-Team über den neusten medizinischen und strategischen Meilenstein in der Gesundheitsversorgung. „Bei Schlaganfällen gilt: Je schneller wir die Schlaganfallpatienten vor Ort diagnostizieren und behandeln können, desto günstiger sind die Aussichten, dass sie wieder gesund in ihr normales Leben zurückfinden“, so Landrat Sigel. „Deshalb ist es mir ein besonderes Anliegen, dass wir unsere als ‚regionales Schlaganfallzentrum‘ ausgezeichnete Klinik nun mit einem weiteren topmodernen Gerät komplettieren können.“ 1,8 Mio. Euro, die der Kreis und seine Kliniken in das Gerät und den Umbau der Räume investiert haben, seien „eine weitere, gute Wertanlage in die Qualität unserer Schlaganfallversorgung, nachdem wir erst Anfang des Jahres in den Kliniken gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz die Ausbildung von Schlaganfallhelfern als landesweites Pilotprojekt gestartet haben“.

Auch André Mertel, Geschäftsführer der Rems-Murr-Kliniken, freut sich gemeinsam mit den für die neue Anlage verantwortlichen Teams über den großen Fortschritt, den die biplane Angiografie in der Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger bringt. „Egal ob im akuten Notfall oder zur Behandlung weiterer schwerer Erkrankungen: Uns geht es auch bei dieser Weiterentwicklung unserer Ausstattung und Angebote darum, dass wir Patientinnen und Patienten Spitzenmedizin auf modernstem Niveau bieten. Und zwar wohnortnah. Dieses Versprechen haben wir 2017 in der vom Kreis beschlossenen Medizinkonzeption gegeben, und wir lösen es mit jedem Entwicklungsschritt weiter ein“, so Mertel. „Uns geht es jedoch nicht nur darum, dass wir unsere Hausaufgaben im Hier und Jetzt machen. Wir blicken mit der biplanen Angiografie auch weit voraus, denn sie bietet nicht nur bestmögliche Diagnostik, sondern ist ein weiterer Meilenstein in der zukunftsweisenden Therapie mit minimalinvasiven, hoch effizienten und schonenden Methoden.“

Das Zauberwort dafür heißt interventionelle Neuroradiologie. Und das ist für die Neurologie, die Radiologie und auch für andere Fachbereiche am Klinikum Winnenden ungefähr der Quantensprung, den der DaVinci-Roboter seit Sommer 2021 hier für die Chirurgie gebracht hat. Was leistet das neue Gerät also perspektivisch zusätzlich zum bestehenden High-Tech-Equipment aus Computertomografie (CT) und Magnetresonanz-Tomografie (MRT)?

Verschlossene Gefäße über Katheter öffnen

„Bei einer Angiografie spritzen wir ein Kontrastmittel ins Gefäß und können radiologisch erkennen, wie der Blutfluss sich verändert oder stockt. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir mit der Angiografie nicht nur diagnostizieren, sondern über einen Katheter auch direkt im Gefäß intervenieren, also behandeln können“, erklärt Prof. Ulrich Kramer, Chefarzt Radiologie in Winnenden. „Mit der neuen biplanen Angiografie können wir die Gefäße nun mittels einer zweiten Bildgebungs-Ebene sogar dreidimensional darstellen. Wir wissen also immer genau und sehen sofort, wo wir mit dem Katheter gerade im Gefäß unterwegs sind. Das bietet mehr Sicherheit und Schnelligkeit: Wir müssen weniger Bilder erzeugen, sparen somit ungefähr die Hälfte an Kontrastmittel, Strahlendosis und Zeit und sehen viel detaillierter und punktgenauer, was im Gefäß los ist.“ Von der Aussackung im Gefäß (Aneurysma) über das Identifizieren einer Blutungsquelle bis zur Verstopfung durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) können so alle Gefahren erkannt werden.

„Mit der biplanen Angiografie-Anlage und der interventionellen Neuroradiologie machen wir einen Riesenschritt nach vorne für die Schlaganfallversorgung im Rems-Murr-Kreis“, sagt Prof. Ludwig Niehaus, Chefarzt Neurologie. „Während wir beim Schlaganfall bisher das Gefäßgerinnsel nur mit Medikamenten auflösen konnten, können wir nun das verschlossene Gefäß auch über einen Katheter wiedereröffnen“, erläutert der Neurologe und Leiter des Schlaganfallzentrums.

Diese hochwirksame Behandlung führt zukünftig ein Neuroradiologe an der neuen Angiografie-Anlage in Narkose durch. Hierbei wird das Blutgerinnsel per Katheter eingefangen und aus dem Hirngefäß entfernt (mechanische Thrombektomie), wobei der Neuroradiologe jeden Schritt der Intervention parallel am Monitor kontrolliert. „Der Vorteil für die Patientinnen und Patienten gerade bei Schlaganfällen ist, dass wir mit dieser modernen Diagnose- und Therapiemöglichkeit gerade bei den schweren Fällen nun Zeit und Transportwege sparen, weil wir sie sofort vor Ort behandeln und nicht in andere Kliniken verlegen müssen“, sagt Prof. Ludwig Niehaus, der bei der interventionellen Schlaganfallbehandlung eng mit dem Kollegen Kramer und dem Anästhesieteam von Chefarzt Dr. Heiner Lange zusammen arbeitet.

Kooperation mit der Neuroradiologie des Klinikums Stuttgart

Unterstützt wird das Winnender Team um Kramer, Niehaus und Lange durch eine neue Kooperation mit der Neuroradiologie am Klinikum Stuttgart: Oberarzt Dr. Philipp von Gottberg aus dem Stuttgarter Team des Ärztlichen Direktors und Thrombektomie-Experten Prof. Hans Henkes bringt in Winnenden seine neuroradiologische Expertise ein, so dass auch komplexere Interventionen möglich sind. Denn die Inbetriebnahme der neuen Angiografie-Anlage in den Rems-Murr-Kliniken geht einher mit einer Kooperation mit dem Klinikum Stuttgart, dessen Neuroradiologie zu den führenden im deutschsprachigen Raum gehört und die Rems-Murr-Kliniken personell unterstützt. Der medizinische Vorstand des Klinikums Stuttgart, Prof. Jan Steffen Jürgensen ist überzeugt: „Diese Kooperation stärkt die wohnortnahe, schnelle und vor allem qualitativ hochwertige Erstversorgung von Schlaganfallpatienten. Dass Krankenhäuser zusammenarbeiten, um gemeinsam komplexere Krankheiten zu versorgen, ist ein Zukunftsmodell und eine gute Nachricht für die Versorgungssicherheit und -qualität in der Region.“

Und weil ein neues Gerät ja bekanntlich stetig neue Möglichkeiten eröffnet, blickt der Winnender Radiologie-Chefarzt Prof. Kramer bereits in die nahe Zukunft. „Wir sind jetzt erst einmal mit den neurovaskulären Interventionen gestartet, also in den Blutgefäßen des Gehirns. Mit der biplanen Angiografie können wir aber auch minimalinvasive Interventionen für andere medizinischen Bereiche im Haus unter einem Dach anbieten. So lassen sich zum Beispiel in der Krebstherapie mittels interventioneller Radiologie über ein Blutgefäß Chemotherapeutika direkt in einen Tumor einbringen“, sagt Kramer. „Interdisziplinär eröffnet uns die biplane Angiografie damit diverse neue Behandlungsmöglichkeiten, und wir möchten diese neuen Chancen der interventionellen Radiologie Stück für Stück nutzen – zusammen mit den jeweiligen Fachkliniken, zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten.“

Text und Bild: Rems-Murr-Kliniken gGmbH (graf/1.3.2024)

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