Rems-Murr-Kreis (Druckversion)
Autor: Martina Keck
Artikel vom 08.08.2018

Partnerschaftstreffen: Mit Akzeptanz, Respekt und Lust am Diskurs

Mit Akzeptanz, Respekt und Lust am Diskurs

Gruppenbild vor den Elblandkliniken am Standort Riesa. Foto: Landratsamt
Gruppenbild vor den Elblandkliniken am Standort Riesa.
Botschafter in Sachen Genuss (von links): Die württembergische Weinprinzessin Anja Off, Landrat Dr. Richard Sigel, die frühere Schwäbische Waldfee Sara Zaiss und Landrat Arndt Steinbach. Foto: Landratsamt
Beim Sommerfest des Landkreises Meißen
Austausch mit dem früheren Innenminister Thomas de Maizière in seinem Wahlkreis. Foto: Landratsamt
Austausch mit dem früheren Innenminister Thomas de Maizière in seinem Wahlkreis.

Die Partnerlandkreise Rems-Murr-Kreis und Meißen trafen sich in diesem Jahr an der Elbe / Austausch unter anderem über Kliniken

Seit mehr als zwei Jahrzehnten verbindet die Landkreise Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg und Meißen in Sachsen eine enge Partnerschaft. Am Beginn stand die Amtshilfe ganz oben auf der Agenda, inzwischen sind es Begegnungen auf Augenhöhe mit einem großen Interesse an den Entwicklungen wie Entscheidungen plus politischer Befindlichkeiten. Der Rems-Murr-Kreis ist klar im Vorteil bei Themen wie Wirtschaft, Bevölkerungsdichte, Finanzausstattung, die Meißner sind hingegen touristisch, bei der Modernisierung der Infrastruktur und der Kinderbetreuung sehr gut aufgestellt. Und so war das diesjährige Partnerschaftstreffen im Landkreis Meißen auch eine Bilanz bisheriger Kommunalpolitik mit Blick in die Zukunft.

Der erste Abend gehörte im Schwerter Brauhaus ganz dem politischen Gespräch zwischen den Kreisräten aus Meißen und dem Rems-Murr-Kreis. Unter der Leitung von Landrat Dr. Richard Sigel waren 15 Damen und Herren aus den Kreistagsfraktionen nach Sachsen gereist. Das bunte Spektrum politischer Meinungen blieb dann doch an den meisten Tischen bei der aktuellen Bundespolitik „hängen“. Asyl und Integration waren die zentralen Themen. Hier gibt es kaum Unterschiede, die Probleme sind identisch, die Herausforderungen ähnlich. Doch die Teilnehmer aus Baden-Württemberg lösen diese aktuell schwierigen Aufgaben souveräner und mit weit mehr Erfahrungen aus vielen Jahrzehnten Migrationsarbeit – so empfinden es die Meißener. 

Die politische Landschaft unterscheidet sich im „Ländle“ kaum von der in Sachsen. Der Meißner Abend war auch Beleg dafür, dass bei allen Gemeinsamkeiten der politische Diskurs wichtig ist. Für die Riesaer Horst Hoffmann (SPD) und Bärbel Heym (Die Linke) war diese Streitkultur eine wichtige Erfahrung, „mit Akzeptanz und Respekt vor der anderen Lebenserfahrung wie politischen Sozialisation und damit eigenen Sichtweise“.  Aus dem Abend wäre eine Nacht geworden, hätten Landrat Richard Sigel und der Beigeordnete Andreas Herr nicht auf die Uhr geschaut. 

Am anderen Morgen begrüßte Landrat Arndt Steinbach die Kommunalpolitiker beider Landkreise in den Elblandkliniken am Standort Riesa, wo gegenwärtig für mehr als 40 Millionen Euro gebaut wird. Es war der ausdrückliche Wunsch von Landrat Dr. Sigel, mehr über die medizinische Versorgung im Landkreis Meißen zu erfahren. Klinikvorstand Frank Ohi als innovativer Geschäftsführer hält den Krankenhauskonzern mit seinen weiteren Standorten in Radebeul, Meißen und der Reha in Großenhain strikt auf Erfolgskurs. Auch der Rems-Murr-Kreis hat in einen neuen großen Klinikkomplex in Winnenden investiert mit der Absicht, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zum Vorteil der Patienten zu intensivieren. Die Kreiskrankenhäuser Waiblingen und Backnang wurden in diesem Zusammenhang geschlossen, dafür entstanden drei moderne Gesundheitszentren.

Damit folgte der Rems-Murr-Kreis unter dem damaligen Landrat Johannes Fuchs einem ganz anderen Konzept als die Meißner, wo das Geld für einen Neubau wie in Winnenden fehlte. Das Meißner Strukturkonzept sieht medizinische Kompetenz in vier Häusern vor – einschließlich der Rehaklinik in Großenhain. Hinzu kommt eine enge Partnerschaft mit den Unikliniken und die Zentralisierung wichtiger Dienstleistungen wie Labor, Krankenhausapotheke und Küche. Wesentlich für die künftige medizinische Versorgung vor allem der Bevölkerung in ländlichen Gegenden ist die Poliklinik GmbH mit über 20 ambulanten Praxen.  Die Gäste waren von der Ausrichtung des kommunalen Klinikunternehmens im Landkreis Meißen sehr angetan. „Da gibt es im Strukturkonzept Vorhaben, teilweise bereits realisiert, die auch für uns interessant sein könnten“, erklärte Dr. Richard Sigel.

Die bewegte Geschichte der Teigwarenfabrik Riesa und deren Verbindungen zu Baden-Württemberg war das Thema des nächsten Besuchs. Im September 1992 wurde der traditionsreiche Betrieb durch die Konsum-Zentrale in Berlin stillgelegt. Seit dem 1. Januar 1993 sind die Riesaer Nudeln eine Tochter der Alb-Gold-Teigwaren GmbH mit Firmenadresse im schwäbischen Trochtelfingen. Die Familie Freidler  hat Millionen in den sächsischen Standort investiert, neue Nudelprodukte entwickelt und damit die Tochter an die Marktspitze in den neuen Bundesländern geführt. Es ist eines der durchweg positiven Beispiele für die Transformation von DDR-Betrieben in privates Eigentum. Und da auch Freundschaft sprichwörtlich durch den Magen gehen, durften ein Essen im Nudelrestaurant nicht fehlen.
Ebenfalls um das Thema Genuss ging es beim nächsten Termin an der Weinstraße in Diesbar-Seußlitz: Carola Ulrich, einst Weinkönigin und heute eine engagierte Unternehmerin an der Seite ihres Mannes, führte die Gäste durch die Produktion des Weinguts Jan Ulrich. Kenntnisreich wurde ein wenig verkostet mit Erfahrungsaustausch über Lagen, Sorten, Witterung und Gestein.

Bei den Burgfestspielen erklärte Landrat Arndt Steinbach den Gästen die Förderung über den Kulturraum, dessen Gesetz bislang einmalig in Deutschland ist. Im Vergleich zum Rems-Murr-Kreis haben die sächsischen Landkreise aufgrund ihrer Geschichte weitaus mehr staatliche Kulturadressen zu verwalten. „Die Burgfestspiele“, so Arndt Steinbach, „sind ein gutes Beispiel für die Wiederbelebung einer traditionsreichen Idee vor etwa 100 Jahren mit neuen Inhalten, dargeboten von Theatern, Orchestern, Chören, die über den Kulturraum gefördert werden.“ Dem kulturpolitischen Seminar folgte die Aufführung der „Hebamme“ auf dem Burgberg – leider bei schaurigem Wetter.

Das Sommerfest des Landkreises mit mehr als 500 Gästen in der Winzergenossenschaft auf dem Bennoweg in Meißen bildete den Abschluss des Besuchs. In diesem Jahr galt die Aufmerksamkeit dem 80. Gründungsjubiläum der Winzergenossenschaft. Landrat Dr. Sigel hatte dafür zwei besondere Gratulantinnen mitgebracht, die württembergische Weinprinzessin Anja Off und die zu diesem Zeitpunkt amtierende Schwäbische Waldfee Sara Zaiss. Zum Abschied wurden die Erlebnisse der zurückliegenden Tage ausgetauscht auch mit Blick auf die Entwicklung des geeinten Deutschlands. Fazit: Auch 25 Jahre nach der deutschen Einheit sind die Unterschiede bei der Betrachtung und Bewertung bundespolitischer Themen nicht zu überhören. Der Diskurs ist anregend und spannend, auch beim vergangenen Besuch in Meißen. In der Kommunalpolitik sieht es ganz anders aus: Fragen, Entwicklungstrends, Konzepte, auch Problemlösungen - bis hin zum Krisenmanagement unterscheiden sich kaum. Hier sind Ost und West eng zusammengerückt.                  

(keck/08.08.18)  

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