Rems-Murr-Kreis (Druckversion)
Autor: Martina Keck
Artikel vom 04.01.2023

Graue Energie im Fokus: Der Rems-Murr-Kreis setzt auf nachhaltiges Bauen

Das besonders nachhaltige Plusenergiehauses „Haus E“ im Schelmenholz in Winnenden. Foto: Kreisbaugruppen
Das besonders nachhaltige Plusenergiehaus „Haus E“ im Schelmenholz in Winnenden.

Neuer Leitfaden ist wichtiger Teil der ehrgeizigen Klimaschutzziele des Landkreises

Klimafreundliches Bauen ist ein Top-Thema bei der Kreisbaugruppe und steht im engen Zusammenhang mit dem Engagement des Landkreises für den Klimaschutz. Während in den letzten Jahren bereits eine Klima-Roadmap für die Liegenschaften des Landkreises im Bestand erstellt wurde (s. Hintergrund), geht man nun noch einen Schritt weiter. Im Rahmen einer Klausurtagung der Kreisbaugruppe im Sommer wurde mit den Aufsichtsräten ein Leitfaden für nachhaltiges Bauen erarbeitet (pdf zum Download). (PDF-Datei) Dazu gehört auch ein Maßnahmenplan für energetische Bestandssanierungen. Dieser Leitfaden wurde kurz vor Weihnachten vom Aufsichtsrat beschlossen und soll künftig bei allen Bauprojekten des Landkreises Anwendung finden.

Ziel des Leitfadens ist es, Gebäude ganzheitlich in den Blick zu nehmen. Das bedeutet, dass der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes – von seiner Planung über den Bau bis hin zum Betrieb und schließlich dem Rückbau – betrachtet und mit Blick auf seine Nachhaltigkeit überprüft wird. „Nachhaltiges Bauen soll bei den Liegenschaften des Kreises nicht mehr wie in der Vergangenheit beliebig und je nach Situation erfolgen, sondern nach einem klar definierten Leitfaden“, so Landrat Dr. Richard Sigel. Dabei geht es auch ganz wesentlich um die sogenannte graue Energie: Das ist die Gesamtmenge an Energie, die für die Herstellung eines Gebäudes aufgewendet wird.

Konkret umsetzen wird die Kreisbaugruppe diesen neuen Ansatz für alle Liegenschaften mittels einer Checkliste. Damit wird jedes Neubauprojekt, aber auch jede Sanierung von Bestandsgebäuden engmaschig überprüft. Gleichzeitig dient die Checkliste als Beleg dafür, dass die Leitlinie beim betreffenden Objekt eingehalten wurde. Im Austausch mit Experten soll die Leitlinie zudem laufend fortgeschrieben und angepasst werden. Im Idealfall soll die Einhaltung der in der Leitlinie definierten Kriterien auch den Zugang zu Fördermitteln eröffnen, denn leider ist dies bisher oft mit einer kostenintensiven Zertifizierung verbunden, z.B. nach den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).

„Die Idee zu dem neuen Leitfaden entstand bei einem Austausch mit dem Landkreis Ravensburg. Die dort aus dem Vorarlberg übernommene Idee passt sehr gut zu unseren ambitionierten Klimaschutzzielen. Gemeinsam mit dem Aufsichtsrat haben wir uns diese Idee für den Rems-Murr-Kreis angeschaut, adaptiert und für unsere Zwecke weiterentwickelt“, sagte Landrat Dr. Richard Sigel. „Wir stellen uns als Landkreis unserer Verantwortung und setzen bei unseren Gebäuden auf innovative und klimafreundliche Lösungen“. So wird etwa beim Erweiterungsbau des Landratsamts am Alten Postplatz in Waiblingen der Beton aus der früheren Tiefgarage bereits recycelt und wiederverwertet.

Gleichzeitig wäre es hilfreich, wenn Bund und Land die aktuellen Unsicherheiten bei der Förderung von klimafreundlichen Neubauten beseitigen und die kommunale Ebene hier mit Blick auf die steigenden Baukosten stärker unterstützen würden. Weniger Bürokratie und stattdessen den Blick auf wirklich nachhaltiges Bauen richten - das wäre unser Wunsch. Angesichts der drängenden Herausforderungen für unseren Planeten wäre dies ein wichtiges Signal zur richtigen Zeit“, so der Landrat.

Dirk Braune, Geschäftsführer der Kreisbaugesellschaft, ergänzt: „Mit unserer Klima-Roadmap sind wir bereits auf einem sehr guten Weg und eine Erhebung hat gezeigt, dass wir in Sachen Energieverbrauch bei unserem Immobilienbestand der Wohn- und Gewerbeimmobilien eine gute Ausgangsposition haben. Wir stehen deutlich besser da als der Durchschnitt in Deutschland. Das soll für uns aber nur Ansporn sein, diesen Weg weiterzugehen. Mit unserem neuen Leitfaden für Nachhaltiges Bauen greifen wir ein aktuelles Top-Thema auf: Die Reduzierung von grauer Energie. Das ist sicherlich eine der großen Herausforderungen auf dem Weg zu einer möglichst nachhaltigen Bauwirtschaft. Hier setzen wir mit unserem Leitfaden aber konkret und messbar an“, so Braune.

Hintergrund: Klima-Roadmap

Bereits im Jahr 2019 hat sich die Landkreisverwaltung das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu sein. Im Fokus standen zunächst die Liegenschaften der Kreisverwaltung und ihrer Tochterunternehmen. Es sollten nicht nur Klimaziele ausgerufen, sondern auch konkrete Maßnahmen zur Umsetzung formuliert werden. Der Landkreis hat diesen Maßnahmenplan im Rahmen eines gemeinsamen Projektes mit der Hochschule Esslingen erarbeitet und wurde auch von namhaften Büros (unter anderem Werner Sobek) unterstützt.

Teil der Strategie ist auch, dass der Landkreis seine Tochtergesellschaften bei vielen Themen und Projekten mit in die Verantwortung nimmt. Es wurden daher nicht nur für die Kreisverwaltung, sondern für alle Tochterunternehmen des Landkreises konkrete Investitions- und Maßnahmenpläne erarbeitet und eine Photovoltaik-Strategie verabschiedet, um abzusichern, dass alle gemeinsam diese Ziele auch erreichen können.

Im Rahmen der „Klima-Roadmap“, das heißt beim Erstellen eines Fahrplans zur Klimaneutralität, wurde in einem letzten Schritt der Immobilienbestand der Wohn- und Gewerbeimmobilien eingehend überprüft. Dabei wurde dem Wohnungsbestand der Kreisbaugruppe bescheinigt, dass der Energieverbrauch des Immobilienbestandes weit besser ist als der Durschnitt der Wohngebäude in Deutschland. Mehr als 40 Prozent der Gebäude im Bestand der Kreisbaugruppe werden bereits über Wärmepumpen, Fernwärme oder ähnliches beheizt. Die komplette Klimaneutralität des Bestands an Wohn- und Gewerbeimmobilien erscheint realistisch bis 2035 oder spätestens 2040 erreichbar zu sein, also im Einklang mit dem vom Kreistag im Rahmen des Klimaschutzhandlungsprogramms für den gesamten Landkreis beschlossenen Klimaziel.

(keck/04.01.23)

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