Rems-Murr-Kreis (Druckversion)
Autor: Martina Keck
Artikel vom 01.04.2022

Ukraine-Hilfe: Landkreis und Kommunen ziehen an einem Strang

Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek besuchte das Ankunftszentrum in der BBW-Halle Waiblingen. Von links: Melih Göksu, Ausländeramt, Landrat Dr. Richard Sigel, Staatssekretär Siegfried Lorek und Erster Landesbeamter Dr. Peter Zaar. Foto: Landratsamt
Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek besuchte das Ankunftszentrum in der BBW-Halle Waiblingen. Von links: Melih Göksu, Ausländeramt, Landrat Dr. Richard Sigel, Staatssekretär Siegfried Lorek und Erster Landesbeamter Dr. Peter Zaar.
Blick in das Ankunftszentrum des Landkreises in der BBW-Halle Waiblingen. Der Kreis hat bewusst mit einem Messebauer zusammen gearbeitet, um in 24 Kojen für etwas mehr Privatsphäre zu sorgen. Foto: Landratsamt
Blick in das Ankunftszentrum des Landkreises in der BBW-Halle Waiblingen. Der Kreis hat bewusst mit einem Messebauer zusammen gearbeitet, um in 24 Kojen für etwas mehr Privatsphäre zu sorgen.

Migrationsstaatssekretär Lorek besucht BBW-Turnhalle in Waiblingen / Ungewissheit erschwert die Planungen

Rund 1.400 geflüchtete Menschen aus der Ukraine sind inzwischen im Rems-Murr-Kreis angekommen. Diese Zahlen beziehen sich auf diejenigen, die sich bei der Ausländerbehörde – des Landratsamts oder der großen Kreisstädte – bereits angemeldet haben. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Ukrainer im Rems-Murr-Kreis noch etwas höher liegt, da viele Menschen privat untergebracht sind und sich sicher noch nicht alle angemeldet haben.

Aktuell kommen Geflüchtete aus der Ukraine, die nicht direkt bei Privatleuten unterkommen, im Schullandheim Mönchhof an. Das Kreisschullandheim in Kaisersbach wurde mit der sich abzeichnenden Fluchtbewegung sofort zum Ankunftszentrum umfunktioniert und kann bis zu 114 Menschen eine erste Unterkunft bieten. Der Landkreis möchte mit Ankunftszentren, in denen die Menschen aber nur wenige Tage verbleiben sollen, auf eine stark steigende Zahl an Zuweisungen von Bund und Land vorbereitet sein. Die Geflüchteten sollen bereits nach wenigen Tagen in die kommunale, längerfristige Unterbringung wechseln. Vor dem Hintergrund der weiter steigenden Zahl an Geflüchteten wappnen sich Landkreis und Kommunen mit weiteren Ankunftszentren, unter anderem in Schorndorf und Fellbach. Dies auch vor dem Hintergrund, dass im Mönchhof ab Mai wieder Schulklassen übernachten können. Denn mit Blick auf die vielen ausgefallenen Schullandheimaufenthalte von Schulklassen aufgrund von Corona war der Mönchhof immer nur als Übergangslösung gedacht, bis andere Kapazitäten aufgebaut sind.

Bei einem Vor-Ort-Termin besuchte Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek am Freitag, 1. April, die BBW-Halle in Waiblingen, die den Mönchhof ablösen wird. Lorek sagte: „Putins Krieg hat in Europa die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Mehr als 35.000 Menschen sind bereits im Land angekommen. Millionen, vor allem Frauen und Kinder, haben sich aus Furcht um ihr Leben auf den Weg gemacht. Diesen Menschen eine Bleibe zu geben, ist für uns humanitäre Pflicht und zugleich für alle Ebenen eine enorme Herausforderung. Diese schaffen wir nur gemeinsam, umso dankbarer bin ich Landkreis und Stadt für das außerordentliche Engagement.“

Der Landkreis hat die Halle mit einem Messebauer und tatkräftig unterstützt von der Feuerwehr Waiblingen zu einem Ankunftszentrum umgebaut: Durch den Einbau von Trennwänden sind 24 Kojen mit jeweils vier Schlafplätze plus ein Kinderbett entstanden. Insgesamt könnten somit bis zu 120 Menschen ab 4. April dort unterkommen. „Gerne haben wir den Landkreis bei der Einrichtung des Ankunftszentrums unterstützt“, sagt Waiblingens Erster Bürgermeister Ian Schölzel. „Mein besonderer Dank gilt dabei der Feuerwehr Waiblingen, die trotz Großbrand bei Alba dafür gesorgt hat, dass alle Möbel rechtzeitig am richtigen Ort waren.“

„Mit Blick auf unsere Erfahrungen aus der Flüchtlingskrise 2015/16 war es uns wichtig, den Menschen, die vor diesem schrecklichen Krieg fliehen, auch in den ersten Tagen nach der Ankunft ein Mindestmaß an Privatsphäre zu ermöglichen“, betont Landrat Dr. Richard Sigel. Dankbar sei man vor allem dem Berufsbildungswerk der Diakonie Stetten für das Überlassen der Halle und der Stadt Waiblingen für die wertvolle Zusammenarbeit.

„Eine Halle ist sicher nicht die beste Lösung, aber wir haben uns für diese Lösung an zentraler Stelle entschieden, weil es nach der Ankunft wichtig ist, schnell die Formalitäten zu erledigen“, betont Landrat Dr. Sigel. „Die Registrierung ist dabei besonders wichtig. Sie sichert ab, dass die Behörden wissen, wer bei uns im Land ist. Dies ist unverzichtbar, denn leider wird gerade auch der Krieg von Schlepperbanden genutzt. Ukrainische Pässe scheinen auf dem illegalen Schwarzmarkt derzeit Hochkonjunktur zu haben und aus der letzten Flüchtlingskrise wissen wir, dass fehlende Registrierung viele Probleme nach sich zieht. Ebenso wichtig ist die Registrierung aber für die Kriegsflüchtlinge selbst, denn ab diesem Zeitpunkt ist die Unterstützung gesichert, sei es mit Sozialleistungen oder auch mit Blick auf die Krankenversicherung. Und für viele ebenso wichtig: Auch ein Arbeitsverhältnis ist möglich, ein Wunsch den viele der ukrainischen Flüchtlinge gleich bei der Registrierung äußern.“

„Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle auch den Städten und Gemeinden.  Exemplarisch seien die Stadt Fellbach, genannt, die quasi über Nacht die Festhalle Schmiden als weiteres Ankunftszentrum vorbereitet hat und auch die Stadt Schorndorf, die dankenswerterweise bereits die Brühlhalle in Schornbach als Ankunftszentrum vorbereitet hat“, so der Landrat weiter. „Wieder einmal ziehen wir in der Krise als kommunale Familie an einem Strang und sind vorbereitet. Das ist angesichts der Herausforderungen richtig und wichtig.“

An die Adresse von Staatssekretär Lorek sagte der Landrat: „Unsere größte Sorge ist aktuell die fehlende Planungssicherheit. Wir haben uns bestmöglich gewappnet, müssen unsere Planungen aber immer wieder anpassen, weil die Zuweisungen des Bundes zwar angekündigt sind, aber nicht kommen. Es bleibt uns daher nichts anders übrig, gewisse Vorbereitungen zu treffen und dennoch auf Sicht zu fahren. Ich bin daher dankbar, dass es die klare Zusage des Landes gibt, die Kosten zu tragen, auch wenn man eine Unterkunft herrichtet, die am Ende vielleicht doch nicht benötigt wird. Das hat in der kommunalen Familie für Erleichterung gesorgt und wir können mit dieser Rückendeckung für pragmatische Lösungen sorgen – denn wenn eine staatliche Ebene pragmatisch handeln kann, dann sind das sicher in besonderer Weise die Landkreise, Städte und Gemeinden.“

Hintergrund und Hilfsbereitschaft:

Für den Fall, dass die Waiblinger Halle voll belegt ist, könnte der Landkreis die Schmidener Halle als weiteres Ankunftszentrum mit 44 Plätzen nutzen. Diese Möglichkeit besteht noch bis Ostern, dann wird die Festhalle wieder regulär genutzt. Zudem könnte ab 4.4. die Halle in Schornbach belegt werden, die rund 60 Plätze bietet. Weiter Hallen sollen vorerst nicht hergerichtet werden, weil die Kapazitäten derzeit gut ausreichen und das Ziel bleibt, den Menschen schnell reguläre Unterkünfte anzubieten. Die Kreisverwaltung sucht daher parallel im engen Austausch mit den Städten und Gemeinden längerfristige Unterkünfte für Geflüchtete aus der Ukraine. „Die Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger ist dabei überwältigend. Wir haben in allen Städten und Gemeinden eine hohe Bereitschaft, Menschen unterzubringen und überall gibt es Listen mit angebotenen Wohnungen. Dies macht mich zuversichtlich, dass wir diese Herausforderung bewältigen,“ so der Landrat.

Prognose und Ausblick:

Eine Prognose und ein Ausblick sind schwierig. Die Zahlen könnten aber laut dem Land höher sein als während der Flüchtlingskrise 2015/16. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wie lange der Krieg in der Ukraine dauern wird. Der Landkreis richtet sich daher darauf ein, dass die Menschen länger bleiben werden, auch wenn viele schnell zurück in die Heimat möchten. Ein besonderer Fokus der Flüchtlingsarbeit liegt daher im Integrationsmanagement. Das Netzwerk arbeite mit der IHK, der Arbeitsagentur, dem Jobcenter, den Volksschulen, der Handwerkskammer, dem Staatlichen Schulamt, den vielen Ehrenamtskreisen und Integrationsmanagern in den Städten und Gemeinden an Sprachkursen, Jobvermittlung, Schul- und Kita-Plätzen.

(keck/01.04.22)

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