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20 Jahre runder Tisch „Häusliche Gewalt“ im Rems-Murr-Kreis
Wer häusliche Gewalt erlebt, muss verlässliche Hilfe bekommen: Darum kümmert sich ein Netzwerk aus Institutionen
Gewalt in engen sozialen Beziehungen wurde lange Zeit als Privatsache betrachtet. Zwar ist Gewalt in Deutschland verboten und geltendes Recht verspricht auch Gleichberechtigung, persönliche Unversehrtheit und Schutz vor Gewalt. Dennoch ist häusliche Gewalt (Partnerschaftsgewalt) immer noch alltägliche Realität.
Dies nahm die Bundesregierung im Jahr 1999 zum Anlass, einen „nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“ ins Leben zu rufen und in einem umfassenden Gesamtkonzept Maßnahmen zur Gewaltbekämpfung zu fordern. Im Zusammenhang mit dem Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen trat dann zum 1. Januar 2002 das Gewaltschutzgesetz in Kraft, das Frauen, Männern und Kindern, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, rechtliche Schutzmaßnahmen zusichert.
Auch im Rems-Murr-Kreis wurde daraufhin nach Möglichkeiten gesucht, die Beratung für Opfer von häuslicher Gewalt zu optimieren. Mit Unterstützung der durch die „Waiblinger Kampagne gegen häusliche Gewalt“ entstandenen Netzwerke wurde schließlich eine Beratungskonzeption erarbeitet, die den von Gewalt betroffenen Menschen aktiv Unterstützung anbietet. In diesem Zusammenhang wurde der kreisweite runde Tisch häusliche Gewalt am 18. Juni 2004 gegründet, der alle wichtigen Akteure, die im Rahmen häuslicher Gewalt eingebunden sind, an einen Tisch bringt.
Bei einer Jubiläumsfeier am 20. Juni 2024 im Landratsamt stellte Polizeipräsident Reiner Möller die Fallzahlen sowie die Erfahrungen der Polizei vor. Sein Fazit: „Wir können stolz sein auf unser Netzwerk im Rems-Murr-Kreis. Aber die steigenden Zahlen zeigen, dass wir weiter dranbleiben müssen.“
Landrat Dr. Richard Sigel ergänzte: „Die Finanzierung der Beratungsstellen, unter anderem durch den Landkreis, ist das eine. Aber entscheidend sind das Engagement und das Herzblut derjenigen, die in diesem Bereich arbeiten.“ Das gelte auch für die Anlaufstelle Soforthilfe nach Vergewaltigung am Klinikum Winnenden, die der Landkreis mit seinen Partnern 2019 eingerichtet hat.
Mit Blick auf die eng ineinandergreifende Interventionskette, die von der Polizei über verschiedene Beratungsstellen bis hin zur Justiz reicht, betont der Landrat: „Es gibt hier ein verlässliches Netzwerk, an das sich Betroffene wenden können. Diese Botschaft müssen wir hinaustragen.“
Seit 2004 trifft sich der kreisweite runde Tisch regelmäßig und thematisiert bei den Treffen aktuelle Herausforderungen, Abläufe und die Optimierung von Schnittstellen, da es im Rems-Murr-Kreis ein abgestimmtes Verfahren zwischen den betroffenen Institutionen und Organisationen bei entsprechenden Fällen von häuslicher Gewalt gibt.
Die Mitglieder des Runden Tisches können so auf 20 Jahre gute Vernetzung und Zusammenarbeit unterschiedlicher Institutionen und Professionen zurückblicken. Gleichzeitig geben die erschreckend hohen Zahlen und das Ausmaß an Gewalt im häuslichen Umfeld keinen Anlass zur Freude.
Konkret sichtbar wird die Arbeit des Runden Tisches bei einer Aktion zum Jubiläum: Dazu wird die Idee der roten Bänke aufgegriffen - ein Symbol für geschlechtsspezifische Gewalt, die ursprünglich aus Italien stammt. 2016 wurde dort die erste Rote Bank in Perugia an öffentlichen Plätzen aufgestellt, es folgten daraufhin viele weitere Städte in Italien. In Deutschland haben sich bis heute ebenfalls einige Regionen, Kommunen und Kreise beteiligt.
Anlässlich des Jubiläumsjahrs wurde in Kooperation mit den Städten und Gemeinden im Rems-Murr-Kreis diese Aktion „Rote Bänke“ auch in den Rems-Murr-Kreis geholt. Insgesamt beteiligen sich zum Start der Aktion elf Städte und Gemeinden; neben den großen Kreisstädten Schorndorf, Winnenden, Backnang, Waiblingen, Fellbach und Weinstadt die Gemeinden Alfdorf, Althütte, Urbach, Kernen und Welzheim. Weitere steigen im Laufe des Jubiläumsjahrs mit ein. Gerne können sich noch weitere Kommunen der Aktion anschließen.
Dort finden Sie ab dem Jubiläumsmonat Juni entsprechende Rote Bänke, die auf das Thema Häusliche Gewalt aufmerksam machen und so das Bewusstsein in der Gesellschaft stärken sollen. Ursprünglich symbolisiert die Rote Bank die geschlechtsspezifische Gewalt gegenüber Frauen. Im Rems-Murr-Kreis möchten wir das Symbol der Roten Bänken sowohl den Frauen als auch den Männern, die Opfer häuslicher Gewalt sind, widmen. Die roten Bänke werden mit Schildern, die in der Gewerblichen Schule Backnang hergestellt wurden, ausgestattet. Über einen QR-Code kommt man direkt auf die Seite des Landratsamts, auf welcher die Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten gebündelt sind.
Hintergrund – Was ist häusliche Gewalt:
Häusliche Gewalt umfasst alle Formen physischer, sexueller und/oder psychischer Gewalt zwischen Personen in zumeist häuslicher Gemeinschaft.
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Personen in einer Ehe, einer eingetragener Partnerschaft oder einfach nur so zusammenleben, welche sexuelle Orientierung vorliegt oder ob es sich um eine Gemeinschaft mehrerer Generationen handelt.
Wichtig ist, dass es sich um eine Beziehung handelt (die noch besteht, sich in Auflösung befindet ist oder seit einiger Zeit aufgelöst ist). Der Ort des Geschehens kann dabei auch außerhalb der Wohnung liegen, z.B. auf der Straße, im Geschäft und der Arbeitsstelle, häufig ist jedoch die Wohnung selbst der Tatort.
Hinweis auf Beratungsangebote im Rems-Murr-Kreis – für Männer und Frauen: Häusliche Gewalt: Rems-Murr-Kreis
(keck/21.06.2024)