Rems-Murr-Kreis (Druckversion)
Autor: Martina Nicklaus
Artikel vom 20.10.2016

Frischer Wind für neue Ideen: Kommunaler Flüchtlingsdialog

Frischer Wind für neue Ideen: Kommunaler Flüchtlingsdialog

Bildunterschrift: Muhannad HORANI aus Syrien (2. v. l.) im Dialog mit Doreen Jensen (LRA), Beate Baur (Kreisjugendring), Jörg Schuber (DRK) und den Ehrenamtlichen Klaus Riedel (1. Vorsitzender FSV Waiblingen und Kreisrat) und Lutz Heidebrecht (Pastor Men
Kommunaler Flüchtlingsdialog im Landratsamt

Am vergangenen Donnerstag trafen sich 36 Akteure aus verschiedenen Bereichen zu einem gemeinsamen Ideenworkshop zum Thema Integration im Landratsamt in Waiblingen.

„Ähnlich wie ein Herbststurm ist die enorme Zuwanderung der letzten Monate über das Land und den Landkreis hinweggefegt“,  beschrieb Landrat Dr. Richard Sigel die Herausforderung der vergangenen Monate und begrüßte die Teilnehmer zum groß angelegten Ideenworkshop „Kommunaler Flüchtlingsdialog“ am vergangenen Donnerstag im Landratsamt. 36 Akteure aus den Themenfeldern Arbeitsmarkt, Wohnen, Freizeit, Sprache und Bildung waren dazu aufgerufen, den „frischen Wind, der jetzt noch übrig geblieben ist, da sich der Sturm gelegt hat“ zu nutzen, um praktikable Lösungsansätze für all die Stolpersteine zu finden, die der Integration von Flüchtlingen und Zugewanderten im Weg stehen. Frischer Wind für neue Ideen also. Was liegt da näher, als diejenigen zu fragen, die es als erstes betrifft? So waren neben VABO-Lehrerinnen und Lehrern, Ehrenamtlichen, Freien Trägern der Wohlfahrtspflege und Kirchen, Integrations- und Flüchtlingsbeauftragten aus Städten und Gemeinden, Unternehmerinnen und Unternehmern, der Arbeitsagentur, der Kreisbaugruppe und den Kammern natürlich auch Geflüchtete mit von der Partie.

Samura Madiba kam zum Beispiel aus Gambia nach Deutschland. Mit der Unterstützung der Ehrenamtlichen hat er schnell Deutsch gelernt und macht jetzt eine Ausbildung zum Elektroniker. Muhannad Horani aus Syrien ist erst seit Januar 2016 in Deutschland, spricht aber schon nahezu fließend Deutsch. In seiner Freizeit fährt er Fahrrad, geht joggen und liest viel. Bei seiner Mitarbeit in der Arbeitsgruppe „Freizeit“ wünscht er sich einen besseren Überblick über die vielfältigen Angebote, die es in Deutschland gibt. Ein weiteres Beispiel ist Faiz Mohammad Bahadori aus Afghanistan. Er hat schlechte Erfahrungen mit der richtigen Einstufung in den Deutschkurs gemacht: „Da saßen Leute drin, die konnten in ihrer eigenen Sprache nicht lesen und schreiben. Wie sollen sie da Deutsch lernen? Ich habe mich sehr gelangweilt.“ Gab es einen Einstufungstest? „Ja, aber da musste man nur anklicken. Ich glaube, manche haben irgendwas angeklickt und sind so zufällig im Einsteigerkurs gelandet, obwohl der Alphabetisierungskurs für sie richtig gewesen wäre.“

Es sind Erfahrungen wie diese, die beim Kommunalen Flüchtlingsdialog gesammelt und vor allem konkreten Lösungsvorschlägen zugeführt werden sollen. Wo drückt der Schuh? Was läuft in der Praxis konkret schief? Welche Ideen haben die „Macher“ vor Ort, was beschäftigt diejenigen, die Integration voranbringen und leben wollen? Was würden sie anders machen, wenn sie könnten? Und wer muss sich bewegen? Auf diese Fragen fanden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jede Menge Antworten.

Die Anregungen aus dem Flüchtlingsdialog wird Christina Reimling, Integrationsbeauftragte des Landkreises, in ihre Tätigkeit einfließen lassen: „Wir sind sehr dankbar für diese wertvolle Arbeit, die hier geleistet wurde. Und wir haben nun eine Menge zu tun“, resümiert sie. Quer durch die Themenfelder zog sich immer wieder die Erkenntnis, dass es noch immer an Informationen und einem umfassenden Überblick über die vielfältigen vorhandenen Angebote mangelt. Eine Koordinierungs- und Publizierungsaufgabe, vor der alle Beteiligten stehen. Doch zunächst heißt es sortieren. In den nächsten Schritten werden die Ergebnisse der halbtägigen Veranstaltung gesichtet, gewertet, priorisiert und in Handlungsempfehlungen für den Landkreis überführt. In Vertiefungsworkshops werden weitere Akteure und verstärkt auch die Kreispolitik eingebunden. „In den Frühjahrssitzungen des nächsten Jahres wollen wir den Gremien dann einen möglichst abgestimmten, alle wichtigen Handlungsfelder umfassenden und sehr praxisorientierten Integrationsplan für den Rems-Murr-Kreis vorlegen, der sich auch umsetzen lässt“, so Reimling.

Hintergrund:

Der „Kommunale Flüchtlingsdialog“ wird gefördert aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg im Rahmen des Programms „Flüchtlingshilfe durch Bürgerschaftliches Engagement und Zivilgesellschaft“. Die Landeszentrale für politische Bildung nimmt noch bis Montag, 31. Oktober, Förderanträge entgegen.

(nick/20.10.16) 

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