Rems-Murr-Kreis (Druckversion)
Autor: Martina Keck
Artikel vom 10.08.2023

Landwirtschaft mit Mut zur Vielfalt

Beim Feldtag wurden Maßnahmen für mehr Artenvielfalt vorgestellt. Foto: Landratsamt Rems-Murr-Kreis.
Beim Feldtag wurden Maßnahmen für mehr Artenvielfalt vorgestellt. Foto: Landratsamt Rems-Murr-Kreis.

Demonstrationsbetrieb in Leutenbach hat Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität vorgestellt / Feldtag mit rund 40 Teilnehmenden

Bei einem Feldtag hat Familie Häußermann auf dem Micheleshof in Leutenbach-Heidenhof auch gemeinsam mit dem Landwirtschaftsamt des Rems-Murr-Kreises Maßnahmen für mehr Artenvielfalt vorgestellt. Der Micheleshof ist dabei ein Demonstrationsbetrieb für Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt (Biodiversität) in der Landwirtschaft. Die in diesem Jahr durchgeführten Maßnahmen wurden bei einem Felder-Rundgang mit rund 40 Teilnehmenden besichtigt.

Die Betriebsleiter Bernd und Jens Häußermann erläuterten am Feldrand, wie sie den Boden auf einem Kartoffelacker durch eine Schicht aus Mähgut länger feucht halten. Indem zusätzliche Nährstoffe eingetragen und das Unkraut unterdrückt wird, kann in der Folge vollständig auf die chemische Unkrautbekämpfung verzichtet werden. Außerdem finden sich viele Bodentiere in dieser Mulchschicht, wodurch die Artenvielfalt steigt. Das Mähgut stammt dabei von anderen Flächen des Betriebs Häußermann, auf denen ein Gemenge aus Roggen und Wicken als Zwischenfrucht angebaut wurde. Das Mähen und Zerkleinern dieses Aufwuchses fand erst nach dem Blühzeitraum der Wicken statt. Durch die zusätzliche Nahrungsquelle für viele Insekten ist somit ein weiterer Vorteil für die Artenvielfalt entstanden.

Familie Häußermann plant, die bisher viergliedrige Fruchtfolge (Getreide, Rüben, Kartoffeln und Soja) zukünftig um eine fünfte Frucht zu erweitern. „Eine weite Fruchtfolge ist genauso wichtig für die Biodiversität wie viele weitere Maßnahmen“, erläutert Bernd Häußermann. Denn durch die Abwechslung werden die vorhandenen Nährstoffe vollständig ausgelastet, die Bodenstruktur geschont und der Landwirt behält die Kontrolle über unerwünschte Beikräuter.

Als zweites Versuchsfeld wurde ein Weizen-Acker besichtigt. Die Besonderheit hier: Der Saatreihenabstand wurde von 12,5 Zentimeter auf 25 Zentimeter erhöht. Zudem wurden in die Lücken zwischen den Weizenreihen Klee, Ringelblumen und Kräuter eingesät. Durch diese neue Bewirtschaftungsmethode ergeben sich viele Vorteile für die Tierwelt. So haben Bodenbrüter wie die Feldlerche, aber auch das Niederwild im Acker mehr Platz zur Nahrungssuche sowie den Nestbau und gleichzeitig mehr Möglichkeiten für einen Unterschlupf. Die Pflanzen zwischen den Weizenstängeln dienen vielen Insekten außerdem als Nahrungsquelle.

Ein gewisser Nachteil sind allerdings aufkeimende Unkräuter. „Um ein vermehrtes Auftreten von Problemunkräutern zu verhindern, sollten weite Reihen nur zum Einsatz kommen, wenn das Potenzial dafür gering ist“, empfiehlt die Biodiversitätsberaterin Dorothee Steinle vom Landwirtschaftsamt des Rems-Murr-Kreises. Für Familie Häußermann bedeutet das aber auch einen geringeren Ertrag, denn auf dem Feld kann dadurch weniger Weizen geerntet werden.

Für Reptilien und Kleinsäuger hat die Familie Häußermann einen Steinhaufen neben einer neu angelegten Streuobstwiese aufgeschüttet. Zudem wurde eine Menge Totholz abgelegt, das den Tieren als Wohnraum und Nahrung dient. Auch solche Maßnahmen dienen der Artenvielfalt sowie der Biodiversität und stören die Landwirtschaft nicht, wenn sie auf ertragsarmen Böden oder am Waldrand mit großer Beschattung angelegt werden.

Landwirtschaftsamtsleiter Michael Stuber und Dezernent Gerd Holzwarth vom Landratsamt Rems-Murr-Kreis sind begeistert über die Aktivitäten der Familie Häußermann, die helfen, den Rückgang der Arten zu reduzieren. „Es braucht Macher, die jetzt Neues ausprobieren und handeln, aber auch staatliche Förderung, um dadurch entstehende finanzielle Verluste der Landwirte auszugleichen“, so Gerd Holzwarth. Er hofft, dass viele landwirtschaftliche Betriebe dem guten Beispiel folgen.

Weitere Informationen: Biodiversität und Landwirtschaft

Seit langem sind die Begriffe Biodiversität und Artenvielfalt in aller Munde. Doch wie kann das Ziel, die Artenvielfalt zu erhöhen und gleichzeitig Landwirtschaft zu betreiben, erreicht werden? Mit dieser Fragestellung und als Folge des Biodiversitätsstärkungsgesetzes entstand 2021 das „BiodivNetz BW“ mit 23 Demonstrationsbetrieben. Diese Betriebe sind im ganzen Land verteilt. Es ist ein Netzwerk, in dem Landwirte ihre Erfahrungen zu den durchgeführten Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt austauschen. Begleitet und unterstützt werden die Betriebe durch die Regierungspräsidien, die durch finanzielle Förderungen die Betriebe für den entstandenen Aufwand entschädigen. Demobetriebe wie der Micheleshof der Familie Häußermann können im Rahmen regelmäßiger Feldtage von der Bevölkerung und interessierten Landwirten besucht werden.

(barth/10.08.23)

Informationsicon
http://www.rems-murr-kreis.de//bauen-umwelt-und-verkehr/aktuelles